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Schönes
aus Wahrheit

Ein Gespräch mit Architekt Johannes Will.

"Schön ist für mich das, was mich emotional berührt. Das können die unterschiedlichsten Dinge sein: ein einzelner Sonnenstrahl, der durch die Wolkendecke dringt. Das Lächeln eines Menschen, den man mag. Ein  schöner Sportwagen aus den sechziger Jahren. Oder auch ein Spaziergang am Meer. Dieses bewusste Erleben von schönen Dingen kann dann wiederum umso mehr zu einer vielfältigen Inspirationsquelle im Leben werden", erklärt Johannes Will, Architekt.

Schönheit und Emotion als untrennbare Verbindung
in Architektur und Design

In Bezug auf Architektur und Design ist es nicht viel anders: Auch hier sind Schönheit und Emotion untrennbar miteinander verbunden. Im Vergleich zum Design, das primär auf den:die Nutzer:in fokussiert, kommen in der Architektur allerdings noch viele weitere Betrachtungsebenen hinzu – Architektur ist schließlich kein Bild, das man sich einfach die Wand hängt. Denn ein Bild kann man wieder abnehmen. Die Architektur bleibt allerdings meist lange Zeit bestehen. Eine dieser vielen, wichtigen Betrachtungsebenen ist z. B., dass Architektur stets mit dem Ort verbunden ist.

Oft ist Architektur auch öffentlich wahrnehmbar oder öffentlich sichtbar. Maßstab und Umfeld spielen bei ihr eine große Rolle, ebenso wie Form und Funktion. Diese Form entspringt idealerweise einer Funktion, folgt ihr aber nicht zwangsläufig, denn eine Form muss keineswegs immer rational sein. Auch müssen architektonische Eingriffe mit Bedacht gesetzt werden, denn ihre Auswirkungen betreffen zumeist nicht nur eine, sondern viele Generationen von Menschen. Und von Schönheit oder einem gelungenen Projekt kann man aus meiner Sicht in der Architektur dann sprechen, wenn all diese Faktoren stimmig zusammengeführt werden.

quote
Architektur ist kein Bild, das man an die Wand hängt.
Johannes Will, Architekt

5 Fragen an Johannes Will, Architekt

Wann ist für Sie persönlich dieser besondere Moment da, an dem die Stimmigkeit erreicht ist, die dann zum Schönen führt?

 

Auch da komme ich wieder auf die Emotion zurück. Denn in jedem architektonischen Entwurfsprozess gibt es diesen einen, bestimmten Moment, in dem man sehr genau spürt und weiß: Jetzt hat alles seine Richtigkeit. Der Weg dorthin ist allerdings oft weit.

 

Und auch mit der Erfahrung vieler realisierter Projekte ist es für mich keineswegs immer absehbar, wann man diesen speziellen Punkt erreicht, denn dafür müssen viele Ebenen zugleich abgedeckt sein. So müssen sich beispielsweise die Auftraggeber: innen selbst in ihrem Projekt sehen und wiedererkennen können. Das Raumerlebnis muss stimmen, die Akustik, der Maßstab, das Organisationsschema, die Integration ins Umfeld und noch vieles mehr.

 

Und es ist auch schon öfter vorgekommen, dass ein Konzept vor einem Präsentationstermin noch einmal völlig neu gedacht werden musste. Eines ist für mich jedenfalls fix: Kein Projekt geht in die Realisierung, eher dieser besondere Moment der Stimmigkeit nicht erreicht ist. Ich würde deshalb sagen: Schönheit kommt von Wahrheit. 

 

Denn erst, wenn man zu all diesen Themen gültige Antworten findet, kann Architektur gelingen. Und dazu nehmen wir einen oft langwierigen und aufwendigen Weg auf uns: Im Interesse dieser Stimmigkeit und Wahrheit entwickeln wir unsere Projekte von innen nach außen und auch wieder nach innen zurück. Und wir decken dabei die Architektur genauso ab wie die Innenarchitektur und denken beides gleichwertig mit.

Könnte man daher sagen, dass Schönheit auch viel mit Durchdachtheit und mit der Aufmerksamkeit für sorgfältig aufeinander abgestimmte Einzelheiten zu tun hat?

 

Man kann es spüren, wenn Architektur nicht nur alleine Form ist, sondern wenn sie mit Inhalt gefüllt ist. Und wenn ich sage, dass Schönheit von Wahrheit kommt, meine ich damit Echtheit, Richtigkeit und Authentizität. Dazu müssen viele Dinge aufeinander abgestimmt und die richtigen Fragen beantwortet sein, zugleich muss es aber immer auch eine tragende Idee des:der Architekt:in geben, die lesbar sein muss. Das beginnt bei mir persönlich meist ganz einfach mit einem Stift, einem leeren Blatt Papier und den ersten Skizzen, dann folgt ein Arbeitsmodell. Damit meine ich allerdings kein digitales, sondern 
ein maßstäblich gebautes reales Modell.

 

Denn mit digitalen Modellen kann vieles weitaus besser und eindrucksvoller dargestellt werden, als es dann tatsächlich in der Realität wirkt. Doch schon während meiner Studienzeit hat mein Professor gerne gesagt: »Ein Modell lügt nicht. Was im Maßstab eins zu hundert nicht gut aussieht, sieht in der Realität hundertmal so schlecht aus.« Das bedeutet keineswegs, dass wir nicht auch digital arbeiten, virtuelle und analoge Prozesse laufen bei uns im Büro parallel.

 

Doch aus meiner Sicht kommt ein reales Modell schon im kleinen Maßstab diesem Anspruch der Wahrheit, Echtheit und Authentizität weitaus näher als jede Computersimulation – und damit auch meinem Anspruch, dass das, was wir für unsere Auftraggeber:innen bauen, Generationen überdauern soll.

 

Denn ein nachhaltiger Mehrwert definiert sich ja nicht nur alleine über die ökologischen Qualitäten eines Gebäudes, sondern auch über seine Lebensdauer: Was für lange Zeit gedacht und gemacht ist, schont Ressourcen. Und speziell Eindrücke und Werte, die auf Dauerhaftigkeit ausgelegt sind, können viel mit Schönheit zu tun haben: Wenn es um das Schöne geht, wollen Menschen zumeist, dass es möglichst lange bleibt, und nicht, dass es flüchtig schnell wieder vergeht.

Ehe ein Projekt geschaffen ist, ist es ja oft ein weiter gemeinsamer Weg für Auftraggeber:innen und Architekt:innen. Worauf kommt es aus Ihrer Sicht besonders an, damit dieser Weg erfolgreich verläuft?

 

Das Gefühl echten Vertrauens ist dazu der wesentlichste Faktor. Die menschliche Chemie zwischen Auftraggeber:innen und Architekt:innen muss stimmen, sonst hat es wahrscheinlich wenig Erfolgschancen, diesen Weg gemeinsam zu gehen. Das bedeutet keineswegs, dass man von Anfang an in allen Punkten derselben Meinung sein muss. Aber es bedeutet die grundsätzliche Bereitschaft, sich für ein gemeinsames Ziel offen aufeinander einzulassen.

 

Für Bauherr:innen beginnt ein Projekt oft mit Bildern und Vorbildern, mit Inspirationen und Details. Für Architekt:innen steht hingegen der Blick für das große Ganze im Mittelpunkt, mit der sehr wichtigen zentralen Frage: Was ist tatsächlich möglich und zu welchem Budget? Denn die Kostenwahrheit ist ein essenzieller Punkt bei jedem Bauprojekt und vor allem auch ein Punkt, der gerne unterschätzt wird. Ein Bauprojekt ist ja nicht alleine mit der Fertigstellung der Räume beendet, sondern setzt sich mit Themen wie Innenarchitektur, Gartengestaltung und vielem mehr noch um einiges weiter fort.

 

Als Architekt:in muss man daher gut zuhören und zwischen den Zeilen lesen können, um die Wünsche der Auftraggeber:innen richtig erkennen zu können und um sie auch in realistische Bahnen der Machbarkeit lenken zu können. Dazu gehört auch, dass man als Architekt: in vor Auseinandersetzungen keinesfalls zurückscheuen darf.

 

Persönlich bin ich deshalb ein sehr  diskussionsbereiter Mensch, wenn es darum geht, Ideen zu erklären, zu verteidigen, zu verstehen oder auch manchen Punkten ganz klar zu widersprechen. Eines der schönsten Komplimente, die ich nach einem Projekt erhalten habe, lautete deshalb: »Danke, dass du so oft Nein gesagt hast.«

 

Denn spannend wird die Zusammenarbeit zwischen Architekt:in und Auftraggeber:in ja erst dann, wenn der gemeinsame Weg ein Lernprozess ist, wenn Menschen, die ein Projekt beauftragen, zu Projektende nicht nur ein Gebäude erhalten, sondern auch ein tiefgehendes Verständnis für dieses Gebäude und seinen  Entstehungsprozess mitnehmen, um dessen Stellenwert in ihrem Leben dann umso mehr zu schätzen.

Dieser hohe Anspruch bildet ja ein Leitmotiv Ihrer Arbeit, bei der oft ein Projekt die gebauten, sehr persönlichen Gefühle der Bauherr:innen widerspiegelt. Wie findet man den richtigen Weg zu solchen sehr individuellen Projekten?

 

Für diesen Weg ist der zweite wesentliche Faktor vor allem Mut. In der Auseinandersetzung mit der Bauaufgabe und den Auftraggeber:innen werden oft Dinge entdeckt, die nicht offensichtlich sind. Wünsche und Sehnsüchte werden erst durch das Verwerfen konventioneller Ansätze entwickelt oder entdeckt.

 

Dazu gehört auch der Mut, Dinge zuzulassen. Ich hatte etwa schon mit Auftraggeber:innen zu tun, die anfangs nur zwei Zimmer umbauen wollten. Als wir dann gemeinsam analysiert haben, was tatsächlich hinter diesem Wunsch steckt, wurde dann ein gesamtes Geschoß entkernt und neu organisiert. Und wenn es bei meinen Projekten dann auch noch um sehr spezielle räumliche Ausformulierungen geht, wird es noch spannender.

 

So entstand beispielsweise aus dem Wunsch eines:einer Auftraggeber:in nach einem Raum zum Meditieren und zum fokussierten Arbeiten letztlich ein außergewöhnlicher Denkraum mit fünf Metern Deckenhöhe. Und aus dem Wunsch nach einem Ruheraum nach der Sauna mit Ausblick in einen Lichthof wurde schließlich ein einzigartiges Projekt: Der Ausblick wurde über einen riesigen, um 45° geneigten Spiegel endlos hinaus in den gesamten Himmel umgelenkt – so, als würde man als Kind in einer Wiese liegen und den Wolken zusehen.

 

Derartige Räume existieren nicht im Vorhinein. Sie werden Schritt für Schritt am Arbeitsmodell entwickelt und erfordern mutige Bauherr:innen für deren Umsetzung. Hier werden Räume geschaffen, die wir als »Gefühlsverstärker« bezeichnen.

Viele Ihrer Projekte bewegen sich im eher exklusiven und budgetär gehobenen Bereich - realisieren Sie auch kleinere Projekte?

 

Eines unserer kleinsten Projekte ist ein Kleingartenhaus in Wien, das wir für einen Schauspieler und seine vierköpfige Familie realisiert haben. Bei einer relativ kleinen Grundstücksfläche von nur 240 m2  standen wir vor der strategischen Herausforderung, ein Gebäude zu entwickeln, das die Nachbarschaft weitgehend ausblendet und den Garten dafür maximal einblendet.

 

Entstanden ist ein teilweise als  dreigeschoßig wahrnehmbarer Baukörper, der mit einer Außenbreite von nur 3,8 Metern relativ schmal gehalten ist, der im Inneren allerdings umso mehr mit seiner räumlichen Großzügigkeit verblüfft.

 

Das ist einerseits den großen Glasflächen zu verdanken: Das Haus ist zum Garten hin komplett verglast, abgesehen von den justierbaren Holzlamellen, die zur Beschattung und als Sichtschutz dienen.
Andererseits macht dies der sehr groß dimensionierte Küchenbereich mit Esstisch und vorgelagerter Terrasse möglich, denn durch diesen weitläufigen Gemeinschaftsbereich können andere Räume umso kompakter gehalten werden.

 

Ein Haus zu bauen, ist im kleinen Maßstab deshalb ein wenig ähnlich, wie eine Stadt zu planen: Wo dicht gebaut wird, braucht es umso mehr auch große Plätze und Freiflächen zum Ausgleich.

Johannes Will, Architekt

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Johannes Will, Architekt

Johannes Will studierte Architektur an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien und diplomierte mit Auszeichnung unter der Diplomjury von Wolf D. Prix, Zaha Hadid uns Hans Hollein. Er ist seit 2008 Architekt und Ziviltechniker. Mit seinem Architekturbüro in Wien realisiert er außergewöhnliche Projekte für außergewöhnliche Auftraggeber:innen unter dem Motto: "Für uns ist Architektur ein Maßanzug mit hohem Mehrwert für Kund:innen, die auch mitwachsen können." Bleibende Werte für Kund:innen und wertvolle Beiträge zur Baukultur schaffen - beides ist ihm ein Anliegen. Für ihn ist Architektur gebaute Verantwortung.

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"Schönheit kommt von Wahrheit."

Johannes Will

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